Ich, Bertolt Brecht
zu seinem 120. Geburtstag
In früher Zeit, am 10. Februar 1898, aus den schwarzen Wäldern kommend, Augsburg also, so beschreibt er sich und wird einer der größten Dichter, Lyriker und Theatermacher Deutschlands. Weltberühmt im 30. Jahr durch die „Dreigroschenoper” mit Kurt Weill, später, die Zusammenarbeit mit Hanns Eisler bei der „Mutter”, sechs weiteren Stücken und einer Unzahl großartiger Lieder, ihm wichtiger, weil nun gezielt für die Emanzipation der Unteren schreibend. Den Krieg hassend schon als Gymnasiast und später mit einer Jüdin verheiratet, trieben ihn die Nazis durch sieben Länder.
Was jeder ins Exil Getriebene heute empfindet, in Brechts Texten steht es zu lesen. 13 Jahre war er Ausländer und fühlte sich auch so. Die begehrte „Stadt der Engel”, L.A., ist für ihn die „Hölle der Enttäuschten”, wo der Verkauf aller Werte an 1. Stelle steht. Dort, wo er ungern ist, wird er ausgewiesen wegen „unamerikanischer Umtriebe”, und auch in Europa will ihn niemand haben. Einziges Angebot für Arbeit und Leben macht ihm die Sowjetische Besatzungszone und lässt ihn ab dem 22.10.48 miterleben und mitgestalten das Eperiment DDR, von ihm genannt, seine „Mühen der Ebenen”.
Mit 58 Jahren stirbt er, 48 Dramen und 50 Dramenfragmente, 2300 Gedichte, Romane, Geschichten, sowie wesentliche Werke zur Theorie des Epischen Theaters hinterlassend.
Begonnen hat es eigentlich in der Kneipe, in Gablers Taverne in Augsburg, wo er als
Gymnasiast, mit der Klampfe in der Hand, seine zartesten und gröbsten, frechsten und
rührendsten Lieder sang. Gelernt hatte er das von dem früh verstorbenen Frank
Wedekind, den er sehr bewunderte. Und einer, der ihn gut kannte, Walter Benjamin, sagte
von ihm, dass er der beste Chansonnier seit Wedekind sei. Er kann das Massivste
anheben, wir werden immer unsere Freude daran haben, wie zart er es niederlegt.
Dichten und Singen, deutlich spannender als das Gymnasium, das er so beschrieb:
„Während meines neunjährigen Eingewecktseins am Augsburger Realgymnasium gelang
es mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern”.
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Das im Ersten Weltkrieges, in der Zeit der Schulaufsätze auf den berühmt-berüchtigten Satz „Dulce et decorum est pro patriam mori”. Brecht, fast von der Schule geflogen dafür, schrieb dazu: „Der Ausspruch, daß es süß und ehrenvoll sei, für das Vaterland zu sterben, kann nur als Zweckpropaganda gewertet werden. Der Abschied vom Leben fällt immer schwer, im Bett wie auf dem Schlachtfeld ... Nur Hohlköpfe können die Eitelkeit so weit treiben, von einem leichten Sprung durch das dunkle Tor zu reden ...”. Aktueller denn je, wie beinah alles, was er schrieb. Von der Zeit eingeholt wurde er, und das gewiss zu seinem Leidwesen. Die nun auch in Deutschland größer werdende Schere zwischen arm und reich, die damit verbundene Zunahme an Neofaschismus - Brecht wird da wieder gebraucht, denn seine Faschismusreflexionen gehören sicher zu den prägnantesten, die die deutsche Literatur hervorgebracht hat. Im Übrigen gibt es kaum eine Frage der Zeit, die der Klassiker Brecht nicht in überragender, oft prophetischer Weise behandelt hat.
Vom Ozonloch noch nichts wissend, wusste er schon von der Pflanze, Tier und Mensch fressenden Wirkung der Städte und eben auch, dass das Nicht-„Gespräch über Bäume” zum Verbrechen werden kann. Über vierzig Jahre Schaffen zieht sich Brechts Beschäftigung mit der Natur in seinen Versen hin. Der Baum spielt dabei eine besondere Rolle, wird immer wieder aufgenommen, einschneidend die Kämpfe zeigend, die zwischen Natur und Industrie ausgefochten werden. Brecht und Natur, ein Thema, das fast immer unterschätzt wird. Das Klischee des „roten Didaktikers” scheint eine freundliche, dialektische, sprich grüne Sicht auf Natur auszuschließen. Die berühmte Ungeduld beim Betrachten der Natur wird als gegeben genommen und nicht als von Trauer getragener Kritik an der Zeit, die auf Erden ihm gegeben ward.
Daß er die Gesellschaft nicht außen vorließ, wenn es um Naturbetrachtung geht, zeigt eine Haltung, ohne die heute keine grüne Politik zu machen ist.
Und natürlich die DDR – seine „Mühen der Ebene”, das Land, in dem er die letzten neun Jahre seines Leben arbeitete, schrieb, lehrte, inszenierte, organisierte, sich einmischte in Politik, selten zur Freude der Herrschenden, Vorschläge machte, die hin und wieder angenommen wurden, ein neues Theater schuf, das eine neue Gesellschaft befördern helfen sollte und das Weltgeltung erzielte. Im Mai 56 ließen die Kräfte nach.
Gina Pietsch
(Erstabdruck in UNSER BLATT (UB), VVN-BdA Januar 2018)