Spanien, das uns Heimat war
Lieder und Kämpfe im Spanischen Bürgerkrieg
Nie wird dich vergessen, Schöne,
Der für deine Freiheit stritt.
All die Liebe deiner Söhne
Tragen wir im Herzen mit.
So der Refrain von „Abschied von Spanien”, dem letzten Lied der Interbrigaden, das Erich Weinert und Ernst Busch 1938 im Lager Saint Cyprien schrieben. Mit diesem Lied, das Teil der großen Kunst einer Niederlage war, ist das Interesse der Welt an den Kämpfen im Spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 39 aber nicht beendet.
Ernest Hemingways „Wem die Stunde schlägt”, kennt als Film beinahe jeder, Willi Bredels, Ilja Ehrenburgs, Egon Erwin Kischs, Arthur Koestlers, Hans Marchwitzas, Georges Orwells, Ludwig Renns Reportagen sind im Gedächtnis vieler, und Pablo Picassos „Guernica” bleibt ewige Anklage gegen Faschismus und Krieg. Aus der großen Zahl der Lieder, gesammelt von Federico Garcia Lorca, gedichtet von Rafael Alberti, Miguel Hernandez und Peter Hacks, komponiert von Carlos Palacio, Paul Dessau und Hanns Eisler, Grigori Schneerson, eingespielt von Ernst Busch, Paul Robeson, Pete Seeger und Woody Guthrie, um nur ganz wenige zu nennen, werden heute viele noch gesungen.
Es sind Volkslieder im besten Sinne des Wortes geworden. Und die obengenannten namhaften Autoren ausgenommen, kommen sie auch vom Volke, von Fischern und Dichtern, von Leuten aus den Cafes, die sich trafen und über Politik redeten, über den von der spanischen Reaktion getragenen, von deutschen und italienischen Faschisten unterstützten Militärputsch, über die Hilfe der Interbrigaden, aber auch über die reiche Vergangenheit des spanischen Freiheitskampfes. Manches entstand improvisatorisch bei den Soldaten der Volksarmee, beim Singen während der Wartezeiten oder auf dem Marsch, oft als Umdichtung bekannter Volkslieder.
Der Romanzero erstand von neuem, die alten Lieder des spanischen Volkes, in denen es die Kühnheit feiert, von den Kämpfen mit den Mauren erzählt und tote Helden beweint. Der neue Romanzero stärkte den Mut der Kämpfer, so beschreibt es Ilja Ehrenburg.
Und die „Internationale”: Die Interbrigaden, 35-40.000 Freiwillige aus 53 Ländern, verstanden sich nicht. „Die Internationale” konnten alle und so sangen sie in ihrer jeweiligen Sprache zusammen.
Aber sie brauchten mehr Lieder, und sie erhielten sie. Jede Division, jedes Regiment, jedes Bataillion hatte seine eigene Hymne. Hanns Eisler schrieb in den 2 Wochen im Januar 1937 in Madrid, zusammen mit dem spanischen Dichter Herrero Petere den „Marcha del 5. Regimiento”, Ernst Busch und Grigori Schneerson schrieben die Ballade der XI. Brigade:
In Spanien stands um unsre Sache schlecht,
zurück gings Schritt um Schritt.
Und die Faschisten brüllten schon:
„Gefallen ist die Stadt Madrid”.
Da kamen sie aus aller Welt
Mit einem roten Stern am Hut.
Im Manzanares kühlten sie
Dem Franco das zu heiße Blut.
Das waren Tage der Brigade Elf ...”
Madrid hatte schon seit dem 26. August 1936 Bombardements auf die Zivilbevölkerung aushalten müssen, die ab dem 4. Oktober durch deutsche und italienische Flieger, ab dem 6. Oktober durch die 200.000 starke Legion Condor systematisch betrieben wurden, mit unzähligen Toten. Die Faschisten glaubten sicher, dass Madrid am 7. November fallen würde, besungen im Lied von den „Cuatro Generales” Madrid, dich Wunderbare, wollten sie nehmen. Doch Deiner treuen Söhne brauchst Dich nicht zu schämen.
Diese treuen Söhne waren neben den spanischen Soldaten der Volksarmee Mitglieder der Elften Internationalen Brigade, mit den Bataillonen Edgar André, Commune de Paris und Dombrowski und der Zwölften Brigade mit dem Thälmann-Bataillon.
Ihnen allen gebührt der Ruhm des „Wunders von Madrid”, oder laut dem Ruf der „La Pasionaria”, den Angriff auf Madrid zwischen dem 3. und 16. Februar erst einmal abgewehrt zu haben. Der große spanische Dichter Rafael Alberti beschreibt 1937 seinen Dank „An die Interbrigaden – A las Brigadas Internacionales” so:
Bleibt, so wollen es das Grasland und die Bäume ...
Brüder! Durch euren Namen wächst Madrid, von eurem Glanz erhellt
Es sind viele Lieder, die diesen Sieg besingen. Sie entstehen spontan und sie werden organisiert. Der Komponist des Liedes „Las Companias de Acero – Die Stählerne Kompanie” , Carlos Palacio, erinnert sich an das Entstehen der Lieder:
Ich war in Madrid. Genau in diesen Tagen begann die militärische Erhebung. Ich nahm ein Gewehr und bin los, die junge Republik zu verteidigen. Ich war nur ein oder zwei Tage an der Front, dann sagte man mir: Du musst Lieder schreiben. Du musst alle angesehenen Komponisten Madrids versammeln, und du musst erreichen, dass sie Lieder über den Krieg schreiben, um die Moral unserer Truppen zu heben.
Möglich übrigens, dass diese Aufforderung von Vertretern des Ministeriums für Information der Spanischen Republik kam, denn diese schrieb im gleichen Jahr sogar einen Wettbewerb zur Schaffung neuer Lieder aus.
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Von genau solcher Wichtigkeit waren aber die Sammelaktivitäten mehrerer Künstler. Zu Federico Garcia Lorcas Ehren, als frühestes Opfer am 9. August 1936 von den Faschisten ermordet, wollen wir als erstes seine „Canciones Espanolas Antiguas” erwähnen, eine Liedsammlung, die unter anderen das berühmte „Los cuatro Muleros” - „Die vier Maultiertreiber” enthielt, das 1937 ein junger Soldat aus dem spanischen Bürgerkrieg umdichtete, um den Verrat der vier Generäle, Franco, Mola, Varela und Queipo de Llano, ohne den die Faschisten Madrid kaum einnehmen konnten, anzuprangern. Mit Ernst Buschs deutschem Text kam es als eines der wichtigsten spanischen Lieder zu uns.
Ernst Buschs Leistungen für Spanien, seine Lieder und seine Kämpfe können hier nicht unerwähnt bleiben. Anfang Februar 1937 reist er von Moskau über Paris nach Spanien und bleibt dort bis Juli 1938. Seine Zeit ist ausgefüllt mit 53 Auftritten im Radio, 40 vor den Brigaden, aber in besonderer Weise durch seine Arbeit als Sammler und Herausgeber von Liederbüchern und Schallplatten mit den in den Kämpfen gesungenen spanischen und internationalen Liedern. Im April 1937 wurde bereits die erste Ausgabe der „Kampflieder der Internationalen Brigaden” gedruckt. Das sind 25 Stücke. Mit dem 5. Band im Juli 1938 erreicht er dann die Zahl 124. Egon Erwin Kisch schrieb über diese „Canciones de las Brigadas Internacionales”:
In keinem Tornister fehlten die Canciones ... Wie ein Reifen schloss dieses soziale Kanzionale die Lieder eines Volkes zu Liedern aller Völker zusammen, es gab die Geschichte des Einzelnen und die Geschichte der Zeit.
Im Februar 1937 traf Busch auch wieder mit Hanns Eisler zusammen, der in Murcia die XI. Brigade der Volksarmee besuchte. Deren Stabschef Ludwig Renn ließ ihn dort nicht lange in Ruhe. Du musst uns für morgen ein Konzert organisieren ... Wir werden einfach einige neue Lieder dichten, die du dann gleich komponierst. Am Vormittag studierst du die Lieder mit den Freiwilligen ein, und am Nachmittag um fünf ist dann unser Konzert.
Ludwig Renn und Hanns Eisler hatten dann auch wirklich ganz schnell den Text von „In dem spanischen Land” („Lied vom 7. Januar”) geschrieben und um fünf Uhr nachmittags begann pünktlich eines der eigentümlichsten Konzerte, denen ich je beigewohnt habe. Auf der Bühne sangen die Freiwilligen. Ein Teil von ihnen war verwundet und hatte Verbände. Im Zuschauerraum saßen Freiwillige und Spanier. Schön wurde nicht gesungen, die Stimmen waren heiser durch die große Kälte in den Stellungen. Aber es wurde frisch gesungen und so wurde begeistert gesungen. So müssen die Bauern in den Bauernkriegen ihre Bundschuhlieder, so muss die Marseillaise das erste Mal geklungen haben, so Hanns Eisler.
Welche Lieder könnten dort gesungen worden sein?
Natürlich sicher „Die Thälmann-Kolonne”, die Paul Dessau Ende 1936 in Paris geschrieben hatte und die bis heute das bekanntetste deutsche Spanienlied ist. Als Textautor ist hier Karl Ernst genannt, ein Pseudonym von Dessaus Frau Gudrun Kubisch, die als Tochter eines preußischen Offiziers vorsichtig sein musste.
Sicher auch „Hans Beimler”, das Ernst Busch schrieb auf das alte Lied „Ich hatt einen Kameraden” von Friedrich Silcher. Es war Heinrich Raus Einfall, der mit Busch und Franz Dahlem im Auto nach Albacete fuhr. Und so wurde in der Neufassung des Liedes gewürdigt der am 12. Dezember 36 vor Madrid gefallene Kriegskommissar der XI. Brigada Internacional Hans Beimler.
Wir müssten noch mehrere hundert Lieder nennen, die „Jaramafront” natürlich und „Das rote Heer vom Ebro” und das „Viva la quince Brigada” und, und, und. Oder „An der Sierra-Front”, mit dem Und wäre nicht die Glut in unsren Herzen, So hätten wir die Kälte nicht ertragen, das uns in Buschs Interpretation Gänsehaut besorgt, geschrieben von zweien, die als Freiwillige in den Interbrigaden kämpften, dem Holländer Jef Last, dem Franzosen Gustave Duran. Für sie und all die anderen soll zum Schluß erinnert werden an Dolores Ibárruri's Abschiedsworte vom 12.Oktober 1938:
Zum ersten Mal in der Geschichte der Kämpfe der Völker wurde die Welt Zeuge, wie durch die Formierung der Internationalen Brigaden ein in seiner Freiheit und Unabhängigkeit bedrohtes Land, unser Spanien, freiwillige Hilfe bei dem Versuch seiner Rettung erhielt.
Gina Pietsch