Pressekritik zum Programm „Was träumt der Teufel”

Abend für Hacks

Kein Blatt vorm Mund

Weill, Dessau und Eisler lassen grüßen, wenn Gina Pietsch die Bühne betritt. Die Berliner Chansonnette, die viele Soloprogramme mit Brecht-Texten bestritten hat, wendet sich nun Peter Hacks zu. Gemeinsam mit dem Musiker Hannes Zerbe präsentierte sie im Berliner Theater an der Parkaue das neue Programm. Dieses vereint nicht nur Vertonungen von „Moritz Tasso”-Monologen, von Liebesgedichten oder einigen „Gesellschaftsversen”.
Gina Pietsch rezitiert auch Briefe von Hacks, etwa den des 23-Jährigen, der aus München an Brecht schreibt und dessen Rat in Sachen Übersiedlung in die DDR erbittet. Oder jenen an Hans Magnus Enzensberger, dem Hacks vorwarf, seine Gedichte seien „dummes Zeug” und „Schnulzen”.

Dass der Schriftsteller kein Blatt vor den Mund nahm, ist bekannt. In seinem Gedicht „Appell” etwa kanzelte er das gesamte ostdeutsche Wendepersonal ab, darunter „Ull- und Eppelmann”. Das wird von Pietsch und Zerbe in einen wirbelnden, ironie-triefenden Tanz verwandelt. Auch Hacksens wunderbar geistreiche Texte für Kinder sind vertreten.

Gina Pietsch ist ein Energiebündel in rotseiden wallendem Kleid und waffentauglichen Stilettos. Ihre beeindruckende Bühnenpräsenz resultiert ebenso aus jahrzehntelanger Erfahrung wie aus einer fundierten Schule bei Gisela May und Ekkehard Schall. Die dunkle, expressive Altstimme ist gleichzeitig zu feinsten lyrischen Nuancen fähig. Am meisten gefällt die Sängerin jedoch, wenn sie in proletarisch-derben Charme verfällt und beispielsweise den schmissigen „Bergarbeiterball in Bitterfeld” intoniert. Hannes Zerbe ihren Begleiter zu nennen, wäre Tiefstapelei. Nicht nur, weil sein Spiel an Klavier oder E-Piano so mancher Textwendung erst den rechten Dreh verleiht. Er hat sich auch als Hacks-Vertoner betätigt. Dessen Verse legt er in anschmiegsame Klangbetten, die mal an Jazz, dann wieder an Eisler, Weill oder Schostakowitsch erinnern.
Auf geistreiche wie kurzweilige Weise schält sich das Markenzeichen von Peter Hacks heraus-, beißender Witz plus scharfes Urteil.

(Von Antje Rößler, Neues Deutschland)